vendredi 27 septembre 2019

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500 polaroids einer reise durch europa

Un choix de poèmes et de peintures de Thomas Schafferer

, Thomas Schafferer

Tk-21 LaRevue accueille un premier choix de poèmes de Thomas Schafferer qu’accompagnent des tableaux dont il est aussi l’auteur. Dans un avenir proche nous proposerons aussi des traductions de certains poèmes de ce créateur flamboyant.

Pour ceux sans doute encore nombreux qui ignorent l’origine du nom de la revue qu’ils lisent, TK-21, on leur apprendra qu’il est lié à l’Autriche et à la ville d’Innsbruck en particulier. Les liens entre la revue et cette ville sont restés jusqu’ici discrets. L’amitié entre certains membres de la rédaction et un poète qui vit et travaille depuis toujours dans cette ville et ses alentours, mais qui est aussi un grand poète voyageur et un peintre singulier, permet d’ouvrir une porte sur cette œuvre poétique florissante qui s’accompagne d’une capacité à déployer les fastes de la poésie contemporaine dans des lieux et des situations parfois amusantes, souvent riches en rencontres et parfois incongrues.

A) 4 Texte aus : Thomas Schafferer „500 polaroids einer reise durch europa“
Verlag TAK, Innsbruck 2015, ISBN 978-3-900888-58-9

demut und glück

nach poulet frites und der nächsten performance
fahren, bevor der streik die strecke lahm legt
aus der wunderschönen, grenoblen stadt, in
die ich irgendwann zurückkehren möchte mit
einer frau, die ich liebe, die mich liebt, um mit
ihr auf den straßen und plätzen im
sommerwarmen chansonhimmel zu
schweben, zu küssen, vor den kaffeehäusern
zu sitzen, schwelgend in demut und glück, in
den gassen singend die sorgen verlachen
sich über das leben freuen, heute nur im zug
sitzen und kernkraftwerke vorbeiströmen
lassen, an den ruhenden flüssen
entlangziehen und die beine nicht
ausstrecken beim tgv-fahren, aber eine
baguette parisienne essen und mineralwasser
trinken vor montpellier oder avignon oder
anderswo oder espresso und auf nîmes
blicken und an meine geliebte madame
denken, deren name sich irgendwie auf nîmes
reimt, auf dem weg zum mittelmeer an die
gemeinsamen zärtlichkeiten denken, an die
ruhevolle liebe zueinander

„zufall“ / montmartre
(pour guillaume grand)

und plötzlich spazieren wir hand
in hand, als mann und frau, in
einem neuen leben durch
montmartre, dorthin wo uns der
„zufall“ verschlägt, den es nicht
gibt, als drei sympathische
jungs mit wunderbrauner haut
von toi et moi singen, in jenem
moment als wir um irgendeine
ecke dieser stadt biegen, in
irgendeine straße, in irgendeiner
minute dieser tage, stimmen
drei jungs ein lied an, das uns
geleitet, begleitet hat aus dem
alten in das neue leben, ein
paar schritte weiter führte, als
gebet uns umarmte an einem
magischen, an einem heiligen
tag, damals in den bergen-

geliebtes luxemburg

als ich noch an jim morrison denke
den ich in père-lachaise von oben
herab betrachtet hatte, als ich noch
an das tägliche brot denke, das ich
mir noch immer nicht artistisch
verdiene, hat uns die flut der
eindrücke längst wieder an land
gespült, durch den nächstbesten
kreisverkehr in dein, mein, unser
geliebtes luxemburg, wo deine
familie zusammengekommen ist
um mit kir grand ducal auf uns
anzustoßen, bis ein verdeckter
zollfahnder in der schmelz
bluesend röhrt und ich am hafen
von differdange sitze, durch die
bambuswälder auf das meer
blicke, deinen familiennamen
nicht nur im herzen trage und
somit auch irgendwie hierher
gehöre

gefallener held

vor 2500 jahren saßen leute im theater, wie heute
die glocke verkündet das ende des einlasses
läutet das ein, das ich mir seit monaten, seit
jahren erhofft hatte, denn einer betritt die bühne
einer taucht auf, wie ein fabelwesen im zwielicht
einer magischen nacht, eine legende betritt
außergewöhnliche stunden meines lebens, einer
steht augenblicklich vor mir, nur zehn meter von
mir entfernt, im théâtre royal von namur, an einem
abend, der großen frauen gewidmet ist, großen
frauen der antike, und einer flüstert, schreit, singt
einer schüttelt sophokles durch die rockmaschine
einer, den man den gefallenen helden von
frankreich nennen könnte, der fünf stunden lang
vor meinen augen agiert, als wäre es eine
alltägliche angelegenheit, einer, der mich berührt
fasziniert, wie selten ein anderer, einer, der von
vielen mörder genannt wird, einer, der seine
geliebte, eine große frau, der marie trintignant
erschlagen hat, heimst standing ovations ein, im
goldenen rund, schier unaufhörlichen applaus
bis auch er lächelt, bertrand cantat
- 
Informationen zum Buch „500 polaroids einer reise durch europa“ :

Zwanzig Jahre lang hat der österreichische Reise-Poet Thomas Schafferer an dieser warmherzigen Erzählung über das Unterwegssein und das Nachhausekommen gearbeitet. Er setzte sich in Bewegung, um zu bewegen und seine Texte erblühen zu lassen. Im Zug, am Schiff, im Auto, im Flugzeug oder sogar im U-Boot hat er geschrieben und 23 verschiedene Staaten Europas bereist.

Sein Buch ist eine Ode und poetische Liebeserklärung an das Reisen und die Sehnsucht nach der Erkundung der Welt. Es beinhaltet Ausbrüche aus dem Alltag und Aufbrüche in ferne Welten. In fremde oder auch schon vertraute Regionen Europas.

Entstanden ist ein thematisch vielfältiges, tagebuchartiges Album über das Fortgehen, das Heimkommen, das (Wieder-) Annähern und das Distanzieren. Eine leidenschaftliche Sammlung an skizzierten Begegnungen, Begebenheiten, Reflexionen, Anekdoten, Erlebnissen und Beobachtungen.

„500 polaroids einer reise durch europa“ ist zugleich aber auch eine lyrische Konzeptarbeit über eine künstlerische Sinnsuche und Identitätsfindung im Spannungsverhältnis von Fern- und Heimweh. Eine persönliche, lebendige Geschichte eines Reifungsprozesses, ausgehend vom Zuhausesein in Tirol.

Thomas Schafferers „polaroids“ sind übrigens Polaroids im übertragenen, metaphorischen Sinn, nämlich ganz kurze, poetische Momentaufnahmen und lyrische Schnappschüsse, die auf seinen zahlreichen Reisen durch Europa entstanden sind und Eingang in sein Monumentalwerk gefunden haben.
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B) 3 Texte aus : Thomas Schafferer „Via Dolorosa. Ein Gedicht-Bild-Band“
Verlag pyjamaguerilleros*, Innsbruck 2019, ISBN 978-3950414349

IV
via dolorosa

terra mia, madre sei gegrüßt, dein wärmender
süden besänftigt mein gemüt, dein kühler
norden lässt mich kalt, berührt mich kaum
auch angleterre, vor einer halben ewigkeit
verlassen, kehre ich zurück in mein heim
mein bett, eine chemiefabrik, aus den
matratzen dampfen gifte, alles zittert, alles
bebt in meine nächte, winter flockt sich in
das frühe jahr, verletzend beißen sich
angstträume unter brüchige haut, zerfetzen
mürbe nervenkleider, als ich daran denke
ob ich jemals, jemals oder nie, nie, nie das
gelobte land betreten, meinen leidensweg
verlassen, abzweigen werde von jener via
dolorosa oder weiter im infernalen
kreisverkehr dahinstolpere, holpernd im takt
der peitschen, als ein schlittenhund im
ewigen eis, im chaos einer welt, im großen
wie im kleinen, geschüttelt und reduziert auf
die basalsten, banalsten dinge, lichtjahre
entfernt vom markant besonderen, vom
außergewöhnlichen, niente da offrire, dem
markt noch nichts zu bieten, noch nichts zu
servieren, auf goldenen tellern, santo
francesco di sales, prega per me, santa cecilia
prega per me, santo luca, prega per me, ebnet
mir bitte den weg in die weite, will meine
netze wie schleppnetzfischer nicht durch ein
rinnsal, nicht durch einen tümpel ziehen, will
das gesamte meer abfischen, den tiefsten
grund ergründen
- 

VIII
auf paris, auf das glück

i’m tired of this motherfucking shit, fort
ausgebrochen aus der unheilen welt der
weinenden frauen, männer und kinder
bilder von gestern, bilder von heute
vermischen sich auf meiner flucht aus
den destruktiven schlagwörtern, den
hundsgemeinen krämpfen, um nicht
mehr probleme zu wälzen, will ich der
sonne entgegen, aus den verlorenen
stunden, hinauf, hinauffahren, an die
via romana, um zu gesunden, um mich
wieder zu besinnen auf die wichtigen
dinge, will beschützt, behütet hoffen
auf paris, auf das glück, will stillstand
und leerlauf besiegen, ohne stagnierend
zu vegetieren oder nur zu warten auf
bessere zeiten, will ich tun und wirken
mit den mitteln der gegenwart, der
gegenwärtigen verstimmungen, der
depressiven bestimmungen positiv
umgehen und optimistisch handeln
mich retten in meiner großen vision, in
geheimer mission mit zwielichtigen
mit illegalen methoden die fadenkreuze
unterwandern, um mir die grässlichen
pechsträhnen aus den augen zu
wischen, auf meine glückssterne zu
blicken und mir endlich gelassenheit
aufzutischen
- 

XI
flammende pein

auf den heiligen berg, den altar tirols
auf die pyramide, auf die serles
zufahren, rechts davon sitzt das kgb
im einen tal auf der lauer, links
davon im anderen wachen die
vaterlandsverteidiger auf den straßen
als wäre krieg in den alpen, voller
furcht, voller ängste vor dem
kommenden, stechende schmerzen
wie ans kreuz genagelt, flammende
pein in mir, ob etwas im argen, ob
etwas düsteres im anflug, vielleicht
kein morgen mehr für …
vielleicht die letzten atemzüge, frag
nicht mehr nach dem sinn, unsinnig
in der verkrampfung, in wehmütigen
achterbahnfahrten, mit zerfransten
gefühlen, wie baumwollpapiere aus
indien herhängen, nichtsdestotrotz
hoffnungsvoll weiter unter einem
guten stern zu pendeln, als die
segensreichen kolorite strömen und
verschwimmen auf den stumpfen
oberflächen der verwirrung, denn
habe noch so viel farbe zu vergießen
so viel liebe zu verschenken, noch
so viele tage zu sein, da zu sein in
diesem erfrischenden leben, in
diesem endlichen geschenk
- 

Informationen zum Gedicht-Bild-Band „Via Dolorosa“ :

Zu Grunde liegt diesem Gedicht-Bild-Band die Einladung in der Galerie Haus Europa in Pilsen / Tschechien zu lesen und auszustellen. Erstmals war dort der Text-Bild-Zyklus „via dolorosa“ im März 2019 einen Monat lang zu sehen.

Alle Bilder (ca. 70x100 cm, Ölpastellkreide, Acryl auf handgeschöpfter indischer Baumwolle) und Gedichte entstanden im Zeitraum 2018 im „Atelier Römerweg“ von Thomas Schafferer in Pfons / Österreich. Überarbeitet in Innsbruck und Ligurien / Italien bis Februar 2019.

Klappentext :

Ein Glückskind. Ins Negative geschleudert von seinen Lebenswellen. Am Leidensweg als Schmerzensmann. Trotz aller Mühsal trommelt sein Herz kämpferisch und kraftvoll ins Positive.

Der Tiroler Künstler Thomas Schafferer verarbeitet eine düstere Zeit in einem malerisch poetischen Tagebuch und kniet nieder mit 12 Bildern und 12 Gedichten.

An 12 Stationen seiner persönlichen Via Dolorosa

Kurzbiographie :

Thomas Schafferer (geb. 1973), Poet und (Reise-) Schriftsteller, mitreißender und berührender Live-Performer, Konzept- und Multimediakünstler, Maler, Verleger und Kreativkopf des Tiroler Literaturmagazins Cognac & Biskotten (www.cobi.at), 1. Arthur-Haidl-Preisträger der Stadt Innsbruck 2004, Stürmer (seit der Gründung 2006) und Rekordtorschütze im Österreichischen Autorenfußballnationalteam, Präsident der IG Autoren Tirol, Mitglied der IG Autorinnen Autoren Österreich und der GAV – Grazer Autoren Autorinnenversammlung. Unzählige verschiedenartige, kleinere wie größere Projekte, Publikationen (u.a. 14 Bücher), Lesungen, Workshops, Auftritte oder Ausstellungen in Österreich und Europa. Lebt in Pfons (am Brenner) bzw. in Innsbruck / Tirol. Infos : www.schafferer.net